
Um den Meinungsbildungsprozess zur sozialdemokratischen Haltung gegenüber der Afghanistanpolitik weiter zu entwickeln, lud das Forum Eine Welt Hessen-Süd zur Diskussion ein. Uta Zapf MdB und Mitglied der Task Force Afghanistan und Dr. Michael Nienhaus, langjähriger Berater in Afghanistan, tauschten ihre Meinung mit einem fachkundigen Plenum zur aktuellen Situation aus.
Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage um eine verantwortungsvolle Abzugsperspektive im Zeitkorridor bis 2015, der von der SPD Bundestagsfraktion mitgetragen wird.
Um dieses Ziel zu erreichen, so Uta Zapf, müsse die afghanische Regierung Anstrengungen unternehmen, tatsächlich bis 2014 für die eigene Sicherheit im Lande Sorge tragen zu können. Dabei bestand bei den Diskutanten Konsens darüber, den Schwerpunkt des deutschen Engagements am Hindukusch bei der Ausbildung der Polizei und der Armee zu belassen, jedoch in Zukunft vermehrt in den zivilen Aufbau des Landes zu investieren. Michael Nienhaus würdigte die herausragende Arbeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, die unter anderem die Wasser- und Energieversorgung der Bevölkerung sichtlich verbessert habe, sowie in beruflicher Qualifizierung und den Rechten der Frauen beachtliche Erfolge verbuchen könne. Doch hinge die nachhaltige Entwicklung dieser ersten sichtbaren Erfolge maßgeblich von der zukünftigen Sicherheitslage im Lande ab. Rückschläge des Polizeiaufbaus stünden im engen Zusammenhang mit korrupten Drogenkartellen, die ihre Seilschaften durch sämtliche staatliche Ebenen zögen. Die Arbeit der deutschen Polizeiausbilder stünde daher vor einer erheblichen Herausforderung.
Die internationale Staatengemeinschaft setzt derweilen auf Zusagen des Paschtunen Hamid Karsai, die er auf der Afghanistan Konferenz in London machte, den Kampf gegen die Drogenkriminalität voranzutreiben, die Korruption im Lande zu bekämpfen und tatsächlich bis 2014 für die eigene Sicherheit im Lande zu sorgen. Nienhaus mahnte an, dass Karsai eben diese Zusagen seit Jahren gebetsmühlenartig wiederhole, ohne dass signifikante Fortschritte in diesen Bereichen erzielt worden seien. Gerade die Funktion des Präsidenten wird nach dem Vorwurf von Wahlmanipulation im Rahmen der Präsidenten- und Regionalwahlen im August 2009 äußerst kritisch gesehen und bedarf einer dezidierten Weiterbeobachtung der internationalen Gemeinschaft und Bewertung des Vertrauensvorsprunges, der dem Präsidenten im Januar auf der Afghanistan-Konferenz in London wiederholt geschenkt wurde.
Uta Zapf stellte im Weiteren die Sicherheitssituation Afghanistans in einen geopolitischen Kontext und zog das Fazit, dass ohne eine Einbeziehung der Nachbarn Iran, Pakistan und Indien, eine stabile friedliche Situation in der gesamten Region kaum möglich sei. Eine wichtige Rolle zur Überwindung grenzüberschreitender Spannungen, insbesondere in der nördlichen Grenzregion zu Pakistan, käme dabei den regionalen Stammesautoritäten zu. Zurzeit gäbe es noch keine regionale oder internationale Initiative für die Region Sicherheit und Stabilität zu fördern, dennoch brauchen wir eine Debatte über ein Sicherheitskonzept für die gesamte Region, so Uta Zapf.
Aufgrund der fragilen sicherheitspolitischen Situation kommt Nienhaus zum Schluss, dass der Zeitkorridor bis 2015 zwar zweckmäßig nach seiner Meinung jedoch nicht verantwortbar und realisierbar sei.
Text: Eike Vater