Pfeiler des Friedens

Portraitfoto von Gernot Grumbach

Gerade wäre er 100 geworden und schon gerät sein Lebenswerk in Vergessenheit. Zum Konflikt um Krim, Russland und Ukraine hätte Willy Brandt einiges zu sagen.

Wer sich allein die Rhetorik der vergangenen Wochen anschaut, fühlt sich in die Zeit des kalten Krieges zurückversetzt. Drohungen und Gegendrohungen, neue und alte Feindbilder, aber wenig Erinnerung daran, dass Frieden und Sicherheit in Europa nur gemeinsam – auch mit Russland – zu erreichen sind.

Einer der wichtigsten Pfeiler des europäischen Friedens war Kommunikation. Wir sollten uns erinnern an die Reisetätigkeit des Ministers Egon Bahr. Anstatt öffentliche Erklärungen abzugeben, hat er den Partnern immer wieder die eigene Position erläutert und versucht, die Beweggründe für die Positionen der anderen Seite zu erfahren.

Der zweite Pfeiler war Verlässlichkeit. Zusagen hatten eine lange Geltungsdauer. Eine Erklärung, dass eine weitere Ausdehnung der NATO nicht erfolgen werde, kann nicht nach wenigen Jahren überholt sein.

Und der dritte Pfeiler ist noch immer die OSZE. Diese mühsam aufgebaute Organisation, die demokratische Prozesse, auch bei Veränderungen sicherstellen soll. Die EU und die Westeuropäer haben diese wichtige Institution in den letzten Jahren sanft einschlafen lassen und nutzen sie auch in der aktuellen Situation nur am Rande.

In den vergangenen Jahren wurde die Rolle der EU als Teil der Sicherung des Friedens in Europa häufig dann in den Vordergrund gestellt, wenn es galt, soziale Schweinereien dahinter zu verbergen. Die Krise der letzten Monate hat gezeigt, wie wichtig eine aktive EU-Entspannungspolitik wäre. Also, Freunde der Entspannungspolitik: Es ist Zeit für eine neue Runde, auch bei dieser Europawahl! Denn wie hat schon ein anderer großer Sozialist Jean Jaures gesagt: „Tradition ist nicht das Bewahren der Asche, sondern das Schüren der Flamme.“

Ein Kommentar von Gernot Grumbach