„Wir kämpfen weiter“

Eva Högl, Ansgar Dittmar und Ulli Nissen

„100% rechtliche Gleichstellung der Lebenspartnerschaft – Wir kämpfen weiter!“ – ist der Aufruf für eine vollständige rechtliche Gleichstellung, ohne Wenn und Aber. Hierfür warb die SPD im letzten Bundestagswahlkampf und hierfür setzt sie sich auch weiterhin ein.
Was die SPD innerhalb der Großen Koalition bisher erreicht hat und welche weiteren Schritte gemeinsam mit der CDU/CSU Fraktion realistisch sind, darüber diskutierte die Frankfurter SPD-Bundestagsabgeordnete Ulli Nissen am Freitag im Skylinedeck des Frankfurter Hauses der Jugend mit Bürgerinnen und Bürgern. Eva Högl, MdB, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und Ansgar Dittmar, Bundesvorsitzender der Schwulen und Lesben in der SPD, waren ihre Gäste.

„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“, lautet der dritte Artikel des Grundgesetzes. In der Diskussion ist, ob auch ein Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung aufgenommen werden soll.

„Für mich eine Selbstverständlichkeit,“ so Nissen, welche sich wie ihre Abgeordnetenkollegin Högl für eine Öffnung der Ehe und das erweiterte Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften ausspricht.

„Eine Ergänzung des Artikel drei des Grundgesetzes würde die Box der Pandora öffnen“, erklärt Ansgar Dittmar. Der Jurist führt aus, dass eine solche Änderung des Grundgesetzes ebenfalls Änderungen in allen Gesetzesgrundlagen zur Gleichstellung mit sich bringen würde. Für eine Änderungen oder Ergänzung des Grundgesetzes ist eine Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag sowie im Bundesrat nötig. Im Rahmen der Großen Koalition hält Dittmar einen solchen Schritt deshalb für unwahrscheinlich.

Die Erfolge der SPD-Bundestagsfraktion könnten sich aber durchaus sehen lassen: beispielsweise in den Bereichen Sozialversicherung oder Erbrecht, und auch das „kleine“ Adoptions- und Sorgerecht seien wichtige Signale.

Auch der „Nationale Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und darauf bezogene Intoleranz“, der Maßnahmen gegen Diskriminierung und Gewalt von Homosexuellen und Transsexuellen vorsieht, sei ein dieser wichtigen Schritte, erklärt Ulli Nissen.

Diskutiert wurde ebenfalls, ob die Ehe geöffnet oder gar ganz abgeschafft werden sollte. Dies stellte ein Teilnehmer, welcher bei den Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD organisiert ist, zur Diskussion. Högl plädiert für rechtliche Abstufungen verschiedener Varianten von Partnerschaften. So verwies sie auf das französische Modell des „PACS“ (pacte civil de solidarité), einer zivilrechtlichen Partnerschaft mit Gütergemeinschaft, gemeinsamer steuerlicher Veranlagung und erbrechtlichen Vorteilen, welche parallel zur kirchlichen Ehe existiert. „Meine Vision von Gesellschaft ist, dass Menschen in jeder Form von Lebensgemeinschaft zusammen leben können“, so Högl.

„Wir brauchen einen langen Atem aber das Thema hat hohe Priorität. Wir kämpfen weiter!“, so Nissen abschließend.

Ebenfalls setze sich die SPD-Bundestagsfraktion für die sogenannte Rehabilitierung der nach Paragraf 175 StGB verurteilten Homosexuellen ein. Über 100.000 Männern wurden aufgrund ihrer Homosexualität ab Herbst 1934 systematisch verfolgt und polizeilich erfasst. Rund 50.000 dieser Männer wurden aufgrund des Paragrafen 175 StGB verurteilt, 10.000 in Konzentrationslager verschleppt. Paragraf 175 StGB blieb auch nach 1949 zunächst unverändert in Kraft und wurde erst 1994 endgültig aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. In dieser Zeit kam es allein in der Bundesrepublik zu rund 54.000 Verurteilungen. Die Betroffenen sind – im Gegensatz zu den in der NS-Zeit Verurteilten – bis heute nicht rehabilitiert und so mitunter vorbestraft.

Ulli Nissen ist seit dieser Legislaturperiode Bundestagsabgeordnete der SPD für Frankfurt. Für Geschlechter- und Gleichstellungspolitik setzt sich die Abgeordnete bereits seit vielen Jahren ein. Nissen ist ordentliches Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Dort sind einige ihrer Schwerpunktthemen Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und soziale Stadt sowie Umwelt und Gesundheit.