„Flucht und Fluchtursachen“ – Veranstaltung des „Forum Eine Welt“ mit Thomas Gebauer von medico international

Das Forum Eine Welt der SPD Hessen-Süd diskutierte mit Thomas Gebauer von medico international über Flucht und Fluchtursachen. Gebauer stellte eingangs die Frage, wie die globalen Verhältnisse politisch zu gestalten wären, damit Menschen gar nicht erst verzweifelt umherziehen müssen und Hass und Gewalt keine Chance haben. Gebauer zitiert das Alte Testament: der Gerechtigkeit Frucht wird der Friede sein, heißt es bei Jesaja. Gebauer machte deutlich, dass die jetzt getroffenen Maßnahmen wie Erklärung vieler Länder zu sicheren Staaten, das Hochziehen von Grenzzäunen und das Abkommen mit der Türkei und autoritären Staaten, die erhöhten Hilfsgelder der EU der Abhaltung von Flüchtlingen gilt, aber nicht der Beseitigung von Fluchtursachen.
Die eigentliche Ursache für zerfallende Staaten, Verslumung der Städte weltweit, die Gewalt und daraus resultierende Migration, liegen in den ungerechten weltwirtschaftlichen Verhältnissen. Sie sind Folge einer verfehlten Globalisierung, die die Interessen der Ökonomie über die Interessen der Menschen stellt. Der Weltmarkt produziert Armut, die neoliberale Aufkündigung der Sozialstaatlichkeit, die Zerstörung der Umwelt durch unverantwortliche Produktionsweise hat die Verhältnisse so eskalieren lassen, dass die weltweite Migration zur Katastrophe führen wird, wenn kein Umdenken einsetzt.
Tatsächlich ist Migration notwendig, so Gebauer, weil viele Familien nur durch die Überweisungen ihrer Verwandten, die Arbeit im reichen Norden bekommen haben, überleben. Es sind nicht die die Ärmsten, die es zu uns schaffen, die Ärmsten „verrecken“, so der drastische Hinweis auf 300 Millionen Menschen, die seit dem Ende des Ost-West-Gegensatzes aufgrund von Armut gestorben sind. Heute haben wir es schon mit 20 Mio. Klimaflüchtlingen zu tun, es könnten 100 Mio. werden, wenn wir nicht handeln. Die soziale Ungleichheit ist weltweit angestiegen.
Was ist zu tun?
Dringliche Aufgabe ist eine nachhaltige Umsetzung der Klimaziele. Wenn jetzt nicht konsequent umgesetzt wird, werden ganze Landstriche z.B. in Bangladesch überflutet werden und andere Regionen verdorren. Ebenso dringlich müssen die globalen Produktionsbedingungen so gestaltet werden, dass sie nicht mehr auf der Ausbeutung billiger Arbeitskräfte beruhen, sondern sich an den Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO orientieren. Es nützt nichts, wenn man dies als freiwilligen Prozess gestaltet, sondern es muss verpflichtend sein.
Die bisherigen Handelsabkommen müssen radikal verändert werden, damit Entwicklungsstaaten ihre eigene Wirtschaft aufbauen können und ihre Agrarproduktion nicht durch billige subventionierte Einfuhren aus Europa vernichtet wird. Landgrabbing und die Umstrukturierung der afrikanischen Landwirtschaft, als Entwicklungshilfe zur Bekämpfung des Hungers deklariert, dient in Wahrheit eher den Interessen des internationalen Agrobusiness. Auch wenn Afrika reich an Rohstoffen ist, die Länder profitieren nicht davon.
Wir müssen unsere Handelsbeziehungen so gestalten, dass die Länder des Südens eigene Entwicklungschancen haben, auch durch protektionistische Maßnahmen.
Die EU ist aufgefordert, ihre Economic Partnership Agreements so zu revidieren, dass Chancengleichheit hergestellt wird.
Die im Herbst von der UNO beschlossenen Social Development Goals klingen gut und könnten das Ziel sozialer und gesellschaftlicher Gerechtigkeit unterstützen, aber die Umsetzung wird erweisen, ob wir zum Umdenken fähig sind.
Wir können und müssen vieles ändern, um durch unsere eigenen Konsum- und Profitinteressen nicht die Lebensgrundlage anderer Völker zu zerstören. Dazu gehört das Wegfischen wichtiger Nahrungsgrundlagen durch unseren Trawlerfischfang zu beenden ebenso wie der Verzicht auf Waffenexporte.
Es gilt, die ungerechten weltwirtschaftlichen Verhältnisse zu verändern. Es gilt aber genauso die Integration der Flüchtlinge, die zu uns gekommen sind, zu bewerkstelligen.
Weltweit müssen wir wieder soziale Gerechtigkeit herstellen, auch bei uns zuhause.
(Uta Zapf)