Ein Artikel der Arbeitsgemeinschaft der SPD für Akzeptanz und Gleichstellung (SPDqueer)
Seit der Coronapandemie werden nicht nur Impfstoffe, sondern auch Blutkonserven knapp – ein Umstand, der sich jetzt im Sommer, wo viele verschobene Operationen in Kliniken nachgeholt, aber gleichzeitig viele in den Urlaub fahren, wieder einmal zuspitzt. Wer jedoch queer ist und Blut spenden möchte, wird bisher verströstet. Jetzt hat die Bundesärztekammer (sic!) hat sich mit Vertreter*innen mehrerer Arbeitskreise und mit unserem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn darauf geeinigt, die Regeln für die Blutspende im kommenden Herbst lockern zu wollen. Bislang waren da insbesondere homo- und bisexuelle sowie transsexuelle Menschen benachteiligt, welche eine besondere Risikogruppe in Anbetracht möglicher Infektionen mit Hepatitis oder HIV darstellten. Bis 2017 durften diese Personengruppen pauschal überhaupt kein Blut spenden, eine Regelung, die zu Beginn der AIDS-Krise in den 1980er Jahren eingeführt wurde. Seitdem darf man als „Mann, der Sex mit Männern hat“ (MSM) zwar wieder spenden, allerdings erst nach einer sexuellen Karenzzeit von insgesamt 12 Monaten, was schon länger nicht mehr wissenschaftlich begründet werden kann. Stolz verkündet Jens Spahn nun auf seinem Instagram-Profil: „Ab Herbst soll zur Blutspende zugelassen werden, wer in den letzten 4 Monaten nur Sex ohne Risiko hatte – egal ob mit Mann oder Frau“. Dies entspräche der maximalen zeitlichen Nachweisgrenze für eben genannte sexuell übertragbaren Viren. Skepsis darüber, ob dies aber wirklich ein Ende der Diskriminierung bei der Blutspende bedeutet, besteht aber beim Blick in das 77-seitige Papier dazu. „Dieser de facto Ausschluss von männernliebenden Männern und trans Personen von der Blutspende ist medizinisch nicht begründet und schlichtweg diskriminierend. Die geplanten Lockerungen sehen wir als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung“ betont Amelie Ludwig-Dinkel, Vorsitzende*r der Arbeitsgemeinschaft SPDqueer in Südhessen. „Jedoch steckt der Teufel hier im Detail“. Denn ob dieselben Regeln zwischen hetero- und nicht-heterosexuellen Menschen wirklich gelten, lässt sich nicht explizit aus dem Entwurf herauslesen. Sex zwischen Männern* wird nach wie vor als Risikoverhalten angesehen und sollte im Falle einer Blutspende nur dann erfolgen, wenn es seit 4 Monaten entweder nicht erfolgte oder nur mit genau einem Partner des gleichen Geschlechtes. Individuellere Faktoren, wie das Tragen von Kondomen oder das Benutzen von Präexpositionsprophylaxe (PrEP), werden dabei nicht erwähnt und komplett außer Acht gelassen. „Das würde konkret bedeuten, dass ich als schwuler Mann nach jedem neuen Sexualpartner die Uhr wieder auf null setzen müsste, während bei heterosexuellen Beziehungen jeder neue Partner*in scheinbar nicht sofort als Risikofaktor angesehen wird “ kritisiert Vorstandsmitglied Henry Dill diese neuen Definitionen. Dies ist wahrscheinlich eine Kompromisslösung, um einen Großteil der aktuellen, heterosexuellen und sexuell aktiven jungen Menschen nicht von einer Spende vergraulen zu wollen. Ein Weg hin zu einer wirklich diskriminierungsfreien Blutspende müsste jedoch dieselben Bedingungen schaffen für hetero- und homosexuelle Beziehungen und zusätzliche Definitionen und Entscheidungskriterien wie Safer Sex Praktiken oder die konkrete Anzahl unterschiedlicher sexueller Kontakte innerhalb eines Zeitraums miteinschließen, da nicht jede Art von sexuellem Kontakt ein gleich hohes Risiko birgt. Dies müsste sich letztendlich in den Fragebögen vor jeder Blutspende niederschlagen, in der rein nach dem individuellen sexuellen Verhalten unabhängig des eigenen Geschlechts oder sexuellen Orientierung gefragt und beurteilt wird. So ließe sich auch ein Spagat zwischen Sicherheit des gespendeten Blutes und einer möglichen Blutspende für alle queeren Menschen erreichen. Angesichts aktueller Engpässe in der Blutversorgung pochen wir schnellstmöglich darauf, möglichst vielen Menschen unabhängig ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität auch endlich wieder das Retten von Menschenleben zu ermöglichen.